Bristell B23 Electro zu Besuch in Saanen


(von Hans-Peter Zimmermann)

Testpilot Markus Scherdel vor dem Elektro-Prototypen B23 mit H55-Antrieb



Die in Sion domizilierte Firma H55 ist ein Spin-Off des Projekts «Solar Impulse» von Bertrand Piccard und André Borschberg. H55 produziert Elektro-Antriebe für die Aviatik, und spätestens im Frühling 2025 soll das erste Flugzeug zertifiziert sein.

Am 5. April 2024 startete der Bristel-B23-Prototyp von Sion zu einer Promo-Tour durch mehrere Schweizer Flugplätze, um schliesslich am 17. April in Friedrichshafen an der AERO-Messe teilzunehmen. Nach dem Start um 9 Uhr war als erste Station Saanen an der Reihe. Nach einer halbstündigen Ladephase ging es dann weiter nach Ecuvillens.

AeroBeo Info konnte mit dem Kanadier Gregory Blatt, einem der Mitbegründer der Firma H55 sprechen:


Gregory Blatt, Mitbegründer der H55 Propulsion Systems


AeroBeo Info:
Was für ein Flugzeug werden wir heute zu sehen bekommen?


Gregory Blatt:
Das Flugzeug, das hier in wenigen Minuten landen wird, kommt von unserem ersten Kunden, BRM Aero in Tschechien, der zweisitzige Schulungsflugzeuge herstellt. Das ist der zweite, bereits stark verbesserte, Protoyp. Der dritte Protoyp wird dann reif sein für die Zertifizierung.

AeroBeo Info:
Wann soll das geschehen?

Gregory Blatt:
Wir rechnen fest damit, dass wir an der AERO 2025 das erste mit H55-Technologie zertifizierte Flugzeug präsentieren können. Und darauf folgt dann die Serienproduktion.

AeroBeo Info:
Was ist der Unterschied zur bereits bestehenden Pipistrel Velis Electro aus Slowenien?

Gregory Blatt:
Die Pipistrel ist ein Ultraleicht-Flugzeug mit einem Gesamtgewicht von 600 Kilogramm. Mit einem Max Take-Off Weight von 750 Kilogramm ist die B23 in einer anderen Kategorie, wobei die Elektro-Variante sogar noch etwas schwerer ist.

AeroBeo Info:
Ihr schreibt, H55 sei ein «Spin-Off» von «Solar Impulse». Was bedeutet das?

Gregory Blatt:
Ich arbeitete bei «Solar Impulse» mit und übernahm 2017 nach Abschluss des Projekts zusammen mit Bertrand Piccards Mitstreiter André Borschberg und Sebastian Dumont, dem Chef der Antriebsysteme, die Technologie.

AeroBeo Info:
Aber ohne den Solarteil?

Gregory Blatt:
Korrekt. Der B23-Prototyp ist ein rein elektrisches Flugzeug, das eine Endurance von etwa 60 Minuten hat plus die vorgeschriebene Reserve.

AeroBeo Info:
Wie lange dauert das Aufladen?

Gregory Blatt:
Für eine volle Ladung etwas eine Stunde. Für die anschließende kurze Strecke nach Ecuvillens wird eine halbe Stunde genügen.

AeroBeo Info:
Inwiefern könnt ihr von der «Solar Impulse»-Technologie profitieren?

Gregory Blatt:
Das Projekt hat uns gezeigt, wie der Antrieb und das Energiemanagement funktionieren. Und das Wichtigste von allem: Wir wissen, welche Sicherheitsstandards wir einhalten müssen. Wenn in einem Auto eine Batterie brennt, kann man rechts ranfahren und sich in Sicherheit bringen. Das funktioniert in der Fliegerei leider nicht, und daher ist Sicherheit oberstes Gebot. Nur so können wir ein Elektroflugzeug zertifiziert bekommen.
Wir sind mit «Solar Impulse» fast 50’000 Kilometer unfallfrei geflogen. Auf Basis dieser Erfahrung machen wir bei H55 weiter in Richtung Zertifizierung.

AeroBeo Info:
Zertifizierung bedeutet europaweit?

Gregory Blatt:
Ja, wir haben vor kurzem einen wichtigen Meilenstein erreicht. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA hat unser Testprogramm akzeptiert. Jetzt ist der Ball bei uns.


Sonja Wolf, Redaktorin beim Anzeiger von Saanen, unterhält sich mit dem Testpiloten Markus Scherdel



Nach der Landung der Bristel unterhielt sich Sonja Wolf vom «Anzeiger von Saanen», mit dem H55-Testpiloten Markus Scherdel. AeroBeo Info durfte mithören.

Sonja Wolf:
Wie viele Stunden sind Sie schon mit diesem Prototypen geflogen?

Markus Scherdel:
Etwa zwanzig Stunden. Das ist jetzt der erste Flug weg von Sion zu einem anderen Flugplatz.

Sonja Wolf:
Und wie hat alles geklappt?

Markus Scherdel:
Perfekt. Eine halbe Stunde Flugzeit über eine wunderschöne Landschaft. Was will man mehr?

Sonja Wolf:
Seit wann sind Sie Testpilot?

Markus Scherdel:
Seit dreissig Jahren. Bei H55 seit der Gründung der Firma im Jahr 2017.

Sonja Wolf:
Und wozu sind die vielen Fäden auf der Tragfläche gut?

Markus Scherdel:
Wir können daran sehr gut beobachten, wie die Strömung anliegt. Wenn nicht mehr alle Fäden nach hinten zeigen, wissen wir, dass es Verwirbelungen gibt. Strömungsabriss ist leider immer noch eine der Hauptursachen von Flugunfällen.


Und hier ist der entsprechende Artikel des Anzeigers von Saanen…



Fotos: Hans-Peter Zimmermann
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